Erkundungen

Petra im Stein

Ich drang in den Talkessel von Petra so ungestuem und ahnungslos vor wie einst die Nabataeer, Unstete und Neugierige wie ich. Ohne System Schritt fuer Schritt, versuchte ich den Felsen etwas abzugewinnen und gleichzeitig mich vom geschaeftigen Treiben der Ansaessigen, die ihre Pferde, Kamele und Esel anboten, freizuhalten. Einerseits der Stein in seinen Farben, in vorsichtigen Linien und zarten Schattierungen, sanften und wie von geschmolzenem Wachs gebildeten Linien, und andererseits verschiedenste kuenstliche Gestaltungen, die erst bei laengerem Hinsehen nach und nach hervortraten.

Doch schliesslich ist mir klar geworden, was mich hier fesselt: Es ist keine Kunst, die ueber das Material triumphiert, sondern das Geschaffene verbleibt im Felsen, tritt nur in Andeutungen hervor, in Hinweisen. Da sind die Treppen, fuer den Weg nach oben. Und da sind Oeffnungen - bemerkenswert, dass kaum jemand hineingehen wollte. Und da sind die Raeume, die sich oeffnen, wenn die Felsen ploetzlich auseinandertreten. Und wirlich, als wuessten sie es im Inneren, verteilten sich die Besucher wie auf ein Wort hin ueber den Platz, und es wurde ein wenig stiller, fast andaechtig, und die Araber blinzelten muede von ihren Schattenplaetzen.


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In Amman

Eigentlich war mir die Stadt schnell sympathisch. Zwischen Huegeln sind wir eingezogen.
Obwohl ich mit dem bekannten Taxispiel hineinkam: Ankunft am Busbahnhof am Stadtrand, sofort von unaufhoerlich englischsprechendem Taxifahrer in Beschlag genommen und zu einem/dem besten/dem billigsten Hotel gebracht (bis dahin noch keine Landeswaehrung und auch keine Ahnung vom Wechselkurs), dafuer den zehnfachen Preis verrechnet und im Luxushotel in der Oberstadt abgeliefert, wo ich erst einen Bankomat suchen musste. Nun gut, im Luxus erholt man sich besser fuer die Wirklichkeit. Hinter der schwarzen Kunststofffolie scheint ohnehin dasselbe Sonnenlicht wie anderswo.
Zur Orientierung bin ich gleich einmal die Khalid Ibn al Walid runtergelaufen, eine Art kilometerlanger Kaerntnerstrasse mit Boutiquen und Handyshops. Als ich bei der Zitadelle entlang ging und dann auch das roemische Theater fand, hatte ich einen Eindruck von der Lage.
Am Rueckweg sah ich in der Daemmerung ein Hotel, dessen Veranda mich freundlich anlaechelte - ich erfragte den Preis. Von da an begann ich meinen Umzug zu erwaegen.

Die Drohung, der Zimmerpreis waere nur bei mehreren Naechten zu halten, erwies sich am naechsten Tag als unbegruendet, sie liessen mich ziehen. Ich schritt auf die Unterstadt zu mit meinem ganzen Gepaeck, diesmal die King Hussein-Street, und meine Schaetzung erwies sich als richtig, ich kam bis zum Theater. Aber ueber die abendliche Erscheinung des einladenden Hotels war ich mir etwas unklar. Ich durchstreifte das Gebiet nach dem Rastersystem und versuchte, mein Gedaechtnis zu ergruenden. Dazu soll man wissen, dass dieses Gelaende am Hang liegt und durch steile Stiegen verbunden wird - das Rastersystem war also dreidimensional. Als ich es schliesslich fand, hatte es jedes Geheimnis verloren, und der Vormittag ging in den Mittag ueber.

Immerhin hatte ich damit jetzt Position bezogen und Boden unter den Fuessen. Sogleich machte ich mich wieder auf den Weg und erstieg die Zitadelle, die auf einem der Stadthuegel lag und Zeugnisse der Vergangenheit bot. Da waren Tempel, Kirche und Moschee gleichermassen in Grundmauern und Truemmerr zerlegt. Dahinter jedoch war die in allen Richtungen gleiche Stadt aufgebaut, und es war unklar, ob als Zuschauer oder gleichgueltig abgewendet.

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Der Barbier hatte sich bereits grinsend umgewendet, als ich in seinem Ruecken am Wartestuhl Platz nahm, und seinen Kunden eilig fertig gekaemmt. Als ich dran war, war der Stuhl wie ein Thron. Eifrig nickend, fuehrte er dann nacheinander alle Istrumente vor, und sei es auch nur zu einem winzigen Zupfen oder Schnippseln. Von allen Seiten bearbeitete er meinen Bart wie ein Taenzer, immer wieder mit unverhohlener Freude in den Spiegel blickend. Am Ende, als ich mich zufrieden zeigte, rueckte er mit seinem Englischbuch hervor, das in der Schublade wartete, und fuehrte mir alle Lektionen vor. (Wenn ich doch nur halb soviel Arabisch koennte!)

Ich bin weit durch die Stadt geschweift auf der Suche nach einem Abendessen. Es gibt viele Imbissbuden, aber nur wernige Restaurants, und im Ramadan haben sie nur eine kurze Spanne geoeffnet. Schliesslich habe ich ganz nah beim Hotel ein schoenes Lokal gefunden, das mir ein Taxifahrer gezeigt hat, als ich davor stand: denn es war im ersten Stock. Eine lange englischsprachige Speisekarte mit lauter fremdklingenden Namen. Ich bekam etwas wie in Gemuesesuppe serviertes zartweiches Lamm mit einer Portion gewuerzten Reis, die allein eine ganze Familie satt gemacht haette. Ich war in einen Winkel platziert worden gegenueber dere Treppe, wo ich alle Ereignisse zwischen den Angestellten mitbekommen konnte. Der Ober sah wie Barak Obama aus, nur dass er etwas Fahriges hatte und watschelte. Er kommandierte einen Lehrling herum, der sich geschickter anzustellen schien als sein Meister. An jeder Speisenlieferung aus der Kueche schien er etwas herumzumaekeln. Als dann eine hoehergestellte Person an der Kassa Platz nahm, der waehrend eines Telefonats umstaendlich tuerkischer Kaffee serviert wurde, schien auch ohne Verstaendnis des auf Arabisch Gesprochenen ein Vorbehalt gegenueber dem Kellner greifbar zu sein wie eine Wand, an der jede Erklaerung, jeder gutgemeinte Versuch abprallt wie an einer Glasscheibe. Genauso, dachte ich, sind doch die Palaestinenser von den Englaendern vorgefuehrt worden, die doch redlich immer wieder neue Ansaetze gesucht haben, um deutlich zu machen, dass sie ihr Land selbst bestimmen und regieren wollen, und die Englaender haben es nickend zur Kenntnis genommen und weiterhin die Juden bevorzugt.

Vom fluechtigen Leben

Al Mochejam heisst das Stadtviertel, wo die palaestinensischen Fluechtlinge leben. Seit 1948. Andere seit 1967. Ein Provisorium, das Programm geworden ist. Assad wurde gelobt fuer die sauberen Strassen des Stadtteils - das ist lange her -, aber einen Pass hat kein Palaestinenser bekommen. Man pflegt die Wunden der wiederholten Niederlage gegen die Israeli so, dass sie nicht heilen koennen. Mit Arafat stand Assad gut, weil sie dieselben Gegner hatten. Beide waren interessiert an dieser verfuegbaren, jederzeit mobilisierbaren Menschenmasse.
Vielleicht ist man schockiert in diesen Strassen, wenn man direkt von Europa kommt. Vom Dreck, vom Chaos und vom Staub. Aber wenn man zuvor Damaskus durchstreift hat, sieht man gar nicht soviel Unterschied. Inzwischen ist die ganze Stadt zum Lager geworden. Eineinhalb Millionen Bewohner vor dem Irakkrieg, jetzt ueber fuenf Millionen. Da ist die ganze Stadt zum Provisorium geworden.

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Sonntag in Damaskus

Heute eine heilige Messe in der syrisch-katholischen Kirche:
Zwei Ministrantinnen, eine kleine, eine grosse, die grosse unterwies die kleine, wie die Kerzenleuchter zu tragen seien, die groesser waren als sie selbst. Wundervolle arabische Gesaenge wurden von zwei Damen in der ersten Reihe angestimmt, die Gemeinde setzte ein. Der Friedensgruss wurde von beiden Priestern an die Ministrantinnen weitergegeben, und diese ueberbrachten sie den Gemeindemitgliedern, die ihre gefalteten Haende mit den eigenen umschlossen. Die Gemeinde war etwa so gross wie unsere an normalen Sonntagen, etliche junge Maenner und Frauen, sowie einige Missionarinnen der Naechstenliebe. Nach der Messe folgte ein Gebet der Mutter Theresa, wobei ein Bild von ihr aufgestellt wurde. Als der Priester beim Schlusssegen das Bild hochhob wie zu Fronleichnam die Monstranz, sah es aus, als waere sie der Kopf zu seinem Koerper.

In der armenischen Nachbarkirche wird eine Trauung vorbereitet, ich sehe, wie sie geschmueckt wird mit Blumen und Kerzen, eine junge Frau kniet betend in der Bank, der Priester in einer anderen. Um neun Uhr Abends beginnen sich die Gassen zu verstopfen, mehrere Reihen von Autos hineingezwaengt, Vaeter tragen ihre kleinen Kinder unterm Arm, schoen gekleidete Menschen auf den Gehsteigen der Altstadt.

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Nachrichten aus Mari

Ohne auf das Reich von Mari einzugehen, das im spaeten dritten Jahrtausend vor Christus am mittleren Euphrat eine Macht war, moechte ich dennoch auf die alte Geschichte Syriens und Palaestinas zurueckkommen, und zwar auf zwei Ueberlegungen von Niels Peter Lemche, einerseits zu seinem Paradigma Zentrum - Peripherie, das doch viel besser die Religionsgeschichte dieser Region beschreiben kann, und andererseits auf den Begriff der Habiru, der zwar voellig ueberzogen interpretiert worden ist, aber in einer realistischeren Auffassung viel fuer unsere eigene Theoriebildung hergeben kann.

Vorerst aber Bilder vom Palast von Mari sowie von dem Tempeln fuer Dagan und Schamasch:

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Diese Strasse folgt dem Euphrattal. Von Deir az Zor waren es 190 km mit einem Kleinbus, zurueck genausoviel, aber zunaecht bis Dura Europos, den Resten der roemischen Grenzfestung zu den Parthern per Lastwagen, den Rest mit einem klapprigen Chevrolet.

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Und schliesslich soll noch bewiesen werden, dass Deir az Zor tatsaechlich am Euphrat liegt.

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Die Geschichte des Alten Orient wurde oft nach dem europaeischen Muster primitive Gesellschaftsformen + Nomaden, und hochentwickelte Gesellschaft + Stadt beschrieben. Das ist ein evolutionistisches Modell, mit dem der westliche Imperialismus legitimiert wurde. Gerade ein Staat wie Mari laesst sich aber besser als Palaststaat kennzeichnen, in dem ein dynastisches Zentrum Macht gewinnt mit Hilfe einer Peripherie, welche sie anerkennt, weil sie wirtschaftliche oder Vorteile der Sicherheit sieht. Das liesse sich auch z.B. fuer Jerusalem in der biblischen Koenigszeit sagen, sowie fuer die anderen palaestinensischen Stadtstaaten. Es laesst sich aber auch das Gegenteil beobachten, naemlich dass die Peripherie dem Zentrum die Anerkennung wieder entzieht, wenn der Koenig Sicherheit und Wohlstand nicht garantieren kann. So ist das Hethiterreich an den rund um ihre Haupstadt lebenden Bergstaemmen zugrunde gegangen, nicht durch fremde Grossmaechte, das alte aegyptische Reich durch die Hurriter, die schon laengst eingewandeet waren, oder die kleinen palaestinensischen Stadtstaaten der Spaetbronzezeit durch die nomadischen Sutu oder Schasu. Dabei formierten sich lt. Lemche auch neue Staemme, die er als freie Zusammenschluesse von Familien oder Clans beschreibt. Peripherie und Zentrum sind also nicht ueber- sondern polar geordnet, einmal dominiert das Zentrum, ein anderes Mal die Peripherie. Sesshafte und nichtsesshafte Landbevoelkerung sowie Stadtbewohner sind keine festen Einheiten. Stadtbewohner betreiben haeufig Landwirtschaft, im Alten Orient oft zu 80 Prozent und mehr. Andererseits konnten Grundbesitzer in der Stadt leben, und beispielsweise Abraham und die meisten Erzvaeter werden mit Staedtischer Herkunft dargestellt: Harran, bzw.Ur in Chaldaea.
Das wirft ein neues Licht auf die modernen Megacitys, die vielfach ja von der Peripherie beherrscht werden. Aus anatolischen Bauern werden auch in Istanbul nur langsam Staedter, aus Waldviertlern in Wien oft auch nicht. Andererseits mengt sich das Zentrum in das Leben der Peripherie ein, indem Zweitwohnsitze und staedtischer Geschossbau im Umland ueberhandnehmen. Und beide Durchdringungen scheinen nun unter veraenderten Umstaenden, naemlich der veraenderten Zuordnung zum Zentrum oder zur Peripherie, neue Siedlungsformen und cdamit neue Lebensformen hervorzubringen. Oder, um Lemches Ansatz auch hier zu folgen: Die individualistisch veraenderte Lebensweise bringt neue Siedlungsformen mit sich, in der Kontakt und Zugehoerigkeit weiter abnehmen.

Und was die Habiru betrifft, so sei zunaechst nur folgendes gesagt:
In den Amarnabriefen beklagt sich der Koenig von Jerusalem beim Pharao, dass Menschen mit diesem Namen sein Land unsicher machen. Das wurde von der Forschung gern als Hinweis auf die Einwanderung der "Hebraeer" genommen, zumal sonst kaum ein ausserbiblischer Hinweis auf die Erzvaetererzaehlungen auszumachen ist. Nur kann die neuere Forschung diesem Namen kein Volk zuordnen, damit sind eher bestimmte Individuen gemeint, die den Staatsverband verlassen, weil sie verfolgt werden, oder weil sie keine Lebensgrundlage mehr haben. Diese Gruppe ist fuer das ganze zweite vorchristliche Jahrtausend bezeugt, aus heutiger Sicht koennen sie als Fluechtlinge oder Migranten bezeichnet werden. Diese Gruppe verunsichert die staatliche Ordnung, die darauf keine Antwort findet, und andererseits koennte sie mit der Volkswerdung neuer Staemme zu tun haben, schliesslich mit dem Volk Israel. Ob jetzt dieser letzte Schluss gerechtfertigt ist oder nicht, jedenfalls ist das ein Modell, dass jene Vorgaenge viel besser beschreibt, die man frueher als Voelkerwanderung bezeichnet hat, auch in Europa.
Nocheinmal: die Habiru sind "Freigesetzte", also Menschen ohne Arbeit, Zugehoerigkeit und Bindung. Spielball eben.

Mor Gabriel

Schon als sich das Christentum erstmals heftig stritt wegen der Zweinaturenlehre, im 5. Jahrhundert, war dieses Kloster - damals hiess es noch Simeonskloster - im Tur Abdin theologisch federfuehrend. Damals konnte man sich nicht zu den in Chalcedon vorgetragenen Formulierungen durchringen und wurde seither vom byzantinischen Patriarchen benachteiligt, vom Kaiser (bzw. seiner Mutter) jedoch bevorzugt. Theodosius etwa stiftete groessere Summen und Laendereien, und bis heute ist das Kloster wie die ganze jakobitische Christenheit in seiner Umgebung angefeindet, aber keineswegs arm. Die wenigen noch verbliebenen Christen, die im Land systematisch abgedraengt werden, leben von der Unterstuetzung der ausgewanderten Familienmitglieder.

Die Hauptkirche ist ein Querschiffbau, also aehnlich einer Moschee breiter als lang, und ohne eine bauliche Orientierung auf den Altar, der in einer mittigen Nische aufgestellt ist. Diese Absis ist mit einem kunstvollen Mosaik ausgelegt, das gerade renoviert wird - ansonsten ist der Raum, der noch zwei weitere Nischen an der Ostwand aufweist, ganz schmucklos. Die weiteren Gebaeude sind wie die Stadt verschachtelt: das Oktogon, die Grabnische, die Marienkirche, Kueche, Gemeinschafts- und Wohnraeume.
Wir treffen den Erzbischof zuerst in der Kirche, spaeter nochmals im Gemeinschaftsraum, wo wir zum Tee geladen sind. Ich war zu optimistisch, als ich die Zeichen der Messe im Sumelakloster sowie die angekuendigte in der armenischen Akdamar-Kirche (die inzwischen wegen einer Wahl in der Tuerkei abgesagt wurde) als Foerderung der Christen durch die Regierung interpretierte. Schon Van Beyburt, der armenische Vertreter im georgischen Parlament, hatte darin Meilensteile und Zeichen der Oeffnung sehen wollen. Der Bischof hingegen zaehlte die vielen Morde an Christen in den letzten Jahren auf, an Priestern, einfachen Christen, die in einem Amt vorstellig waren, und zuletzt an einem Bischof. Als Taeter wuerden jeweils Minderjaehrige genannt, die noch nicht strafbar seien. Die Regierung betreibe ein Doppelspiel, spektakulaere Gottesdienste auf der einen Seite, die fortgesetzte Verweigerung christlicher Rechte auf der anderen Seite, wie das auf die Wiedereroeffnung des Priesterseminars. In der Bevoelkerung nehme der Hass auf die Christen staendig zu. Bei der juengsten Messe waren 3000 Polizisten noetig, um Uebergriffe der Bevoelkerung zu verhindern. Der Diakon gab zu bedenken, dass die meisten Bewohner Trabzons von zwangsislamisierten Christen abstammten, und dass keineswegs alle Pontusgriechen vertrieben werden konnten. Im ganzen wuerde also gegenwaertig die Christenverfolgung in der Tuerkei stark zunehmen. Die europaeischen Regierungen wuerden aber ihre Wirtschaftsinteressen in dem aufstrebenden Land nicht gefaehrden wollen - es bahnt sich also eine Wiederholung der Christenverfolgungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts an - wenn auch auf einer anderen Ebene.
Wir sehen also eine Biopolitik des 21. Jahrhunderts, die auch die Stellung der europaeischen Kirchen in der Gesellschaft in neuem Licht erscheinen laesst. Womit beschaeftigen wir uns eigentlich?

Syrien, eine ganz andere Geschichte

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Schweigen will ich von den 25 Passkontrollen in dem staubigen Niemandsland zwischen zwei Zaeunen, wo im Schatten sitzende, mit breitkrempigen Muetzen ausgestattete Polizisten gelangweilt meinen Pass durchblaetterten und mir die immergleichen Fragen nach meinem Beruf und dem Namen meines Vaters und dem meiner Mutter stellten, die doch alle in dem sauber eingeklebten Visum in arabischer Schrift beantwortet sind, um sie dann mit einem Ausdruck der Verwunderung oder Belustigung mehrmals zu wiederholen, waehrend ich mit meinem Rucksack in der Sonne stand und geduldig zu warten hatte.
Haeufig wurde ich hoeflich in deutscher Sprache von Passanten angesprochen, oder auch englisch von Mitreisenden im Bus oder spaeter in Deir al-Azzor, manchmal fuer ein laengeres Gespraech, oft auch nur fuer einen herzlichen Gruss und ein Willkommen.
Nun, die Geschichte mit dem Pass:
In Syrien ist es ueblich, beim Kauf einer Fahrkarte fuer den Buss den Pass vorzuweisen, und spaeter wird man dem Busbahnhofsvorstand vorgefuehrt, welcher in einem klimatisierten Buero mit getoenten Scheiben auf einem Lederstuhl neben einem leeren Schreibtisch sitzt und raucht und eine Kopie meines Passes verlangt, die im Buero gegenueber schnell und unbuerokratisch angefertigt wird. Das gleiche findet auch am Busbahnhof des Reisezieles statt, wobei mich der Vorstand, dem wie einem Offizier immer wieder von hereinstuermenden Maennern Listen vorgelegt werden, die er kurz ansieht, etwas dazu erwidert oder etwas hinaufkritzelt, dann schliesslich etwas beiseite nimmt und sich nach meinem Hotel in der stadt erkundigt, und, als ich ihm klarmache, dass ich gerade erst angekommen sei, erst nach meinen finanziellen Verhaeltnissen fragt und mir dann Vorschlaege macht, die ich mit denen in meinem Reisefuehrer uebereinstimmen. Er notiert das und empfiehlt mir, ein Taxi zu nehmen, aber keinesfals mehr als 50 Pfund zu zahlen, was er selbst noch, herausgekommen, dem Taxifahrer nachruft.
Im Hotel angekommen, frage ich nach einem Bankomaten und werde an einen Ort gewiesen. Dort gibt es zwar einen Automaten, aber er ist ausser Betrieb. Ich finde dann noch zwei oder drei weitere, bei einem davon versuche ich mehr als 20 Mal mit allen moeglichen Tastenkombinationen, Geld abzuheben, aber stets erfolglos, was mir ebensoviele Zettelchen bestaetigen. Gleiches am naechsten Tag, dem heutigen Freitag. Die Gassen sind an diesem islamischen Sonntag auffaelig still, die Automaten ebenso. Ein Syrer erklaert mir mit freundlichem nicht von geringsten Zweifel irritierten Gesicht, es sei eben Ramadan und Feiertag, da wuerden alle Menschen ruhen.
Somit konnte ich heute nicht den vorgesehenen Ausflug nach Dura Europos und Mari machen - es wurde aber dennoch ein bewegter Tag. Denn am Nachmittag fand ich ein Internet-Cafe, das geoeffnet hatte, und man nahm mir auch hier den Pass ab. Um 6 Uhr wurde ich gedraengt, das Lokal zu verlassen, weil nun doch der Ramadan ende und man zum Fastenbrechen heimmuesse. Der Pass, den man mir zuschiebt, war aber nicht meiner. Ich kuendigte an, das Lokal nicht zu verlassen ohne meinen Pass, und hielt eine kurze Strafpredigt, die der baertige, mit weissem Kaften bekleidete junge Mann zerknirtscht ueber sich ergehen liess. Denn bekanntlich ist man in Syrien ohne Pass kein Mensch, nicht einmal ein Busspassagier oder ein Internetcafebenuetzer. Er telefoniete ein wenig, nach und nach erschienen einige junge Maenner, und schliesslich einer, der den Besitzer gefunden haben wollte, der meinen Pass haben muesste. Ich stieg zu ihm aufs Motorrad, und er brauste um einen Haeuserblock zu einem Hotel, wo aber wieder die gleiche Ratlosigkeit herrschte. Schliesslich hatte man eine neue Nachricht bekommen, und nun waren es zwei Maenner, die mich mit den Moterraedern zu einem anderen Hotel brachten, wo nun tatsaechlich der franzoesische Passbesitzer und gegenwaertige Inhaber meines Passes verzeichnet war. Nur war er nicht da. Nachdem eine japanische Reisegruppe eingetroffen war, ihre Zimmer bezogen hatte und nacheinander einzeln erschienen war, um die konsumierten Getraengeflaschen beim Pfoertner vorzuweisen, es waren jeweils die gleichen, ein grosses Wasser und ein kleines Cola, stuermte ploetzlich einer der Maenner hinaus und kam kurz darauf triumphierend mit meinem Pass zurueck.
Schliesslich fragte ich den Portier, der ausgezeichnet englisch sprach, nach einem funktionierenden Bankautomaten, und er wies mich in die vor dem Hotel abzweigende Strasse, wo anstatt in 700 Meter Entfernung schon nach ein paar Schritten eine stattliche Bank lag, vor der zwei finstere Automaten angebracht waren. Im Geschaeftsraum erblickte ich jedoch hinter einer Glasscheibe ein weiteres Geraet, und als ich darauf zutrat....
Weiter muss die Geschichte nicht mehr erzaehlt werden, es genuegt, dass das empfohlene Restaurant (man hatte - ich hatte es den Gesichtern angesehen - kurz erwogen, mich wegen der erlittenen Umstaendlichkeiten zum Essen einzuladen, es war aber nicht dazu gekommen) nicht geoeffnet hatte, und ich mich daher an jenes gegenueber meinem Hotel wandte.
Die andere Geschichte von dem vergessenen Zimmerschluessel in dem erwaehnten Cafe, den mir der Besitzer abgenommen hatte, um den Namen meines Hotels zu entziffern, das darauf geschlossen wurde, braucht ebenfalls nicht weiter ausgefuehrt zu werden, da sie ebenfalls bereits geklaert ist. Und ich will mit dem Hinweis schliessen, dass damit noch gar nicht alle Ereignisse des Tages weder erwaehnt noch verschwiegen wurden, und dass der kommende trotz der Zeitreise durch Jahrtausende weit weniger ereignisreich geplant ist.



Uebrigens, was hier im Fernsehen staendig laeuft:
Israelische Soldatin verhoehnt palaestinensische Gefangene
http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/israel-soldatin-posiert-mit-gefangenen-palaestinensern_aid_542118.html
Und weiters:
BP hat fuer die Freilassung der libanesischen Attentaeter durch das schottische Gericht interveniert. Wird mit den Bildern des triumphalen Empfangs in Lybien gezeigt.

Turabdin - Hoehepunkt und Abschied

Am Mittwoch war ein beschwerlicher Reisetag, von Diyarbakir nach Batman, weiter nach Hasankeyf, einem Hauptziel meiner Reise. In der prallen Mittagshitze (so geht es allen Forschern, habe ich gehoert) den Tigris entlang, in dem quiekend vor Vergnuegen Kinder plantschten und erst, als sie mich erblickten, ein Geheul anstimmten, doch die Aussicht auf brennheissen Ufersand liess sie von mir Abstand halten, entlang des Flusses, der allein bereits altertuemlich war, waehrend oft angenommen wird, ein Fluss erneuere sich fortlaufend, spuerte ich nach und nach alle Kostbarkeiten auf, wie die verfallenen Torboegen, die renovierte Moschee und die Tuerbe, beide weit oberhalb des Flusses am mesopotamischen Plateau, dagegen die unzaehligen Felshoehlen entlang des Flusses, die, soweit vom Dorf erreichbar, allesamt mit Unrat zugeschuettet waren, das Dorf selbst mit seinen ineinander verschachtelten Haeusern und jeweils einem Diwan auf dem Flachdach, auf dem sich die Familie zum Abendessen versammeln wuerde, wie ich spaeter sah, weiters einige der Haustiere, die gelangweilt am engen Hof herumstiegen oder neugierig aus einer Haustuer blickten, waehrend einige Esel, die am Flussstrand angebunden waren, dort, wo es im Flusstal gut hallt, ein Eselkonzert gaben, und schliesslich einige Tuerken oder Kurden, die gemaechlich hinter einer Zeitung den Tag ueberstanden und alle anfallenden Dinge, wie die voruebergehende Unterstellung eines Rucksacks oder die Erteilung einiger Auskuenfte, den Kindern ueberliessen, die hier recht verlaesslich erschienen. Es haette wohl noch weiterer Forschungen bedurft, um zu ermessen, was alles durch die Aufstauung des Flusses veraendert werden wuerde.

Am Abend in Midyat erwarteten mich einige nutzlose Wege auf der Suche nach einem Hotel, und nachdem ich beinahe ganz ungeplant auch schon die ganze Neustadt erkundet hatte, wo mir aeltere Maenner auffielen, die sich freundschaftlich in kleinen Gruppen am Gehsteig auf Hockern um ein Tischchen mit Tee niedergelassen hatten, um im Schatten den Nachmittag zu Ende gehen zu lassen, waehrend wegen des Ramadan nirgends ein Restaurant oder Teehaus offen hatte, wo ich selbst mich haette erholen koennen, entdeckte ich gemeinsam mit dem freundlichen Juwelier, der meinen Rucksack inzwischen untergestellt hatte und von allen Passanten hoeflich gegruesst wurde, einige Schritte neben seinem Laden doch ein kleines Hotel, das geoeffnet hatte. Dort gab es Ventilatorkuehlung im Zimmer, ein Lochklosett aus Porzellan und eine Kuebeldusche fuer alle Gaeste gemeinsam, naemlich den aelteren Mann im Nebenraum und mich. Ich traf ihn spaeter beim Abendessen wieder, er war der Scheich, der im Lokal laut lachend die Enkelkinder herzte, und spaet in der Nacht hatte er mich im Hotel erwartet und stellte sich als tuerkischer Offizier vor, der jetzt mit 50 in Pension gegangen war, nachdem er zuletzt im Irak gekaempft hatte. Er erkundigte sich nach meinen Reisezielen und schien alle Orte zu kennen.
Als ich das Hotel bezogen hatte, eilte ich mit dem Bus in die Altstadt und ging aufs geratewohl zwischen den braunen Haeusern durch die engen Gassen. Ich sah immerhin zwei der angeblich zwanzig Kirchen, und von einer Terasse aus sah ich die Sonne sinken ueber die schachtelartig zusammengerueckten Haeuser, die am Hang uebereinander standen. Die Familien sammelten sich jetzt zum Essen auf den Daechern, und manche winkten mir freundschaftlich zu, waehrend ich, sobald es dunkel war, wieder hinunterstieg und sah, dass der Bus nur bei Tageslicht fuhr, weshalb noch ein paar Kilometer Spaziergang dazukamen. Im grossen Lokal gegenueber dem Hotel war ich beinahe schon der letzte Gast, genoss aber ein koestliches Menue, zusammen mit den Angestellten, die immer erst als letzte essen duerfen.

Und am Morgen ging es aehnlich weiter. Wegen des Ramadan bekam ich kein Fruehstueck, konnte aber einige Gebaecke kaufen. Mit diesen schlich ich in das Hotel, wo ich am Vortag abgewiesen worden war, sah hinter der Theke den Portier schlafen und ging weiter in den Speisesaal, wo ich das Gebaeck mit einigen Tassen Kaffee knabberte. Und hier lernte ich das freundliche italienische Paar kennen, das ganz wie ich auf der Spur der Altertuemer des Alten Orient war, aus Udine stammten sie, also gleichsam in Sichtweite, und so taten wir uns diesen Vormitag zusammen und fuhren nach Mor Gabriel, dem geistigen Zentrum des Turabdin, und dessen Bischofssitz.


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Erster Tag in der Ferne

Nach einem Tag bei staubiger Hitze, 39 Grad, in der kurdischen Hochburg im Südosten der Türkei, durch Staetten mit Unrat unterhalb der Stadtmauer, zum Tigris hin, Siedlungen mit Nylonsackbergen am Stadtrand, und dann weiter durch das enge Labyrinth der Stadt aus dunklem Basalt: Eine Kirche ohne Gemeinde. Ein Moslembub hat sie mir freundlich aufgesperrt und seine Erklaerungen aufgesagt.Eine Entmutigung?
Nein, denn die Gemeinde ist nicht am Glauben gescheitert, sondern an der Verfolgung durch andere. Sie trifft sich jetzt anderswo. Etwa vorgestern, am grossen Marienfeiertag, zu Tausenden im Sumelakloster, das seit Jahrzehnten leerstand. Oder in wenigen Wochen in der neu renovierten armenischen Kirche in Akdamar.
Die Gemeinde ist der Leib Christi. Der geht nicht unter.

Morgen dagegen werde ich eine Stadt sehen, bevor sie untergeht. Derselbe Tigris, der Diyarbakır umfliesst, soll weiter unten aufgestaut werden. Es geht um Energie, Macht und Geld. Es lst elne österrelchlsche Flrma, die dort baut.

Die Gemelnde geht nicht unter, sie hat noch viel zu tun.

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Meine ersten Ziele

http://de.wikipedia.org/wiki/Hasankeyf

http://m-h-s.org/ilisu/front_content.php?client=5&lang=7&idcat=160&idart=274&subid=&idart=274&mmstart=24

http://steiermark.orf.at/stories/461477/

http://www.yezidi.org/geschichte_religions.0.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Tur_Abdin
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fern von

ein strom entspringt in eden, der den garten bewässertr, dort teilt er sich und wird zu vier hauptflüssen ... der vierte strom ist der euphrat

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