Syrien, eine ganz andere Geschichte

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Schweigen will ich von den 25 Passkontrollen in dem staubigen Niemandsland zwischen zwei Zaeunen, wo im Schatten sitzende, mit breitkrempigen Muetzen ausgestattete Polizisten gelangweilt meinen Pass durchblaetterten und mir die immergleichen Fragen nach meinem Beruf und dem Namen meines Vaters und dem meiner Mutter stellten, die doch alle in dem sauber eingeklebten Visum in arabischer Schrift beantwortet sind, um sie dann mit einem Ausdruck der Verwunderung oder Belustigung mehrmals zu wiederholen, waehrend ich mit meinem Rucksack in der Sonne stand und geduldig zu warten hatte.
Haeufig wurde ich hoeflich in deutscher Sprache von Passanten angesprochen, oder auch englisch von Mitreisenden im Bus oder spaeter in Deir al-Azzor, manchmal fuer ein laengeres Gespraech, oft auch nur fuer einen herzlichen Gruss und ein Willkommen.
Nun, die Geschichte mit dem Pass:
In Syrien ist es ueblich, beim Kauf einer Fahrkarte fuer den Buss den Pass vorzuweisen, und spaeter wird man dem Busbahnhofsvorstand vorgefuehrt, welcher in einem klimatisierten Buero mit getoenten Scheiben auf einem Lederstuhl neben einem leeren Schreibtisch sitzt und raucht und eine Kopie meines Passes verlangt, die im Buero gegenueber schnell und unbuerokratisch angefertigt wird. Das gleiche findet auch am Busbahnhof des Reisezieles statt, wobei mich der Vorstand, dem wie einem Offizier immer wieder von hereinstuermenden Maennern Listen vorgelegt werden, die er kurz ansieht, etwas dazu erwidert oder etwas hinaufkritzelt, dann schliesslich etwas beiseite nimmt und sich nach meinem Hotel in der stadt erkundigt, und, als ich ihm klarmache, dass ich gerade erst angekommen sei, erst nach meinen finanziellen Verhaeltnissen fragt und mir dann Vorschlaege macht, die ich mit denen in meinem Reisefuehrer uebereinstimmen. Er notiert das und empfiehlt mir, ein Taxi zu nehmen, aber keinesfals mehr als 50 Pfund zu zahlen, was er selbst noch, herausgekommen, dem Taxifahrer nachruft.
Im Hotel angekommen, frage ich nach einem Bankomaten und werde an einen Ort gewiesen. Dort gibt es zwar einen Automaten, aber er ist ausser Betrieb. Ich finde dann noch zwei oder drei weitere, bei einem davon versuche ich mehr als 20 Mal mit allen moeglichen Tastenkombinationen, Geld abzuheben, aber stets erfolglos, was mir ebensoviele Zettelchen bestaetigen. Gleiches am naechsten Tag, dem heutigen Freitag. Die Gassen sind an diesem islamischen Sonntag auffaelig still, die Automaten ebenso. Ein Syrer erklaert mir mit freundlichem nicht von geringsten Zweifel irritierten Gesicht, es sei eben Ramadan und Feiertag, da wuerden alle Menschen ruhen.
Somit konnte ich heute nicht den vorgesehenen Ausflug nach Dura Europos und Mari machen - es wurde aber dennoch ein bewegter Tag. Denn am Nachmittag fand ich ein Internet-Cafe, das geoeffnet hatte, und man nahm mir auch hier den Pass ab. Um 6 Uhr wurde ich gedraengt, das Lokal zu verlassen, weil nun doch der Ramadan ende und man zum Fastenbrechen heimmuesse. Der Pass, den man mir zuschiebt, war aber nicht meiner. Ich kuendigte an, das Lokal nicht zu verlassen ohne meinen Pass, und hielt eine kurze Strafpredigt, die der baertige, mit weissem Kaften bekleidete junge Mann zerknirtscht ueber sich ergehen liess. Denn bekanntlich ist man in Syrien ohne Pass kein Mensch, nicht einmal ein Busspassagier oder ein Internetcafebenuetzer. Er telefoniete ein wenig, nach und nach erschienen einige junge Maenner, und schliesslich einer, der den Besitzer gefunden haben wollte, der meinen Pass haben muesste. Ich stieg zu ihm aufs Motorrad, und er brauste um einen Haeuserblock zu einem Hotel, wo aber wieder die gleiche Ratlosigkeit herrschte. Schliesslich hatte man eine neue Nachricht bekommen, und nun waren es zwei Maenner, die mich mit den Moterraedern zu einem anderen Hotel brachten, wo nun tatsaechlich der franzoesische Passbesitzer und gegenwaertige Inhaber meines Passes verzeichnet war. Nur war er nicht da. Nachdem eine japanische Reisegruppe eingetroffen war, ihre Zimmer bezogen hatte und nacheinander einzeln erschienen war, um die konsumierten Getraengeflaschen beim Pfoertner vorzuweisen, es waren jeweils die gleichen, ein grosses Wasser und ein kleines Cola, stuermte ploetzlich einer der Maenner hinaus und kam kurz darauf triumphierend mit meinem Pass zurueck.
Schliesslich fragte ich den Portier, der ausgezeichnet englisch sprach, nach einem funktionierenden Bankautomaten, und er wies mich in die vor dem Hotel abzweigende Strasse, wo anstatt in 700 Meter Entfernung schon nach ein paar Schritten eine stattliche Bank lag, vor der zwei finstere Automaten angebracht waren. Im Geschaeftsraum erblickte ich jedoch hinter einer Glasscheibe ein weiteres Geraet, und als ich darauf zutrat....
Weiter muss die Geschichte nicht mehr erzaehlt werden, es genuegt, dass das empfohlene Restaurant (man hatte - ich hatte es den Gesichtern angesehen - kurz erwogen, mich wegen der erlittenen Umstaendlichkeiten zum Essen einzuladen, es war aber nicht dazu gekommen) nicht geoeffnet hatte, und ich mich daher an jenes gegenueber meinem Hotel wandte.
Die andere Geschichte von dem vergessenen Zimmerschluessel in dem erwaehnten Cafe, den mir der Besitzer abgenommen hatte, um den Namen meines Hotels zu entziffern, das darauf geschlossen wurde, braucht ebenfalls nicht weiter ausgefuehrt zu werden, da sie ebenfalls bereits geklaert ist. Und ich will mit dem Hinweis schliessen, dass damit noch gar nicht alle Ereignisse des Tages weder erwaehnt noch verschwiegen wurden, und dass der kommende trotz der Zeitreise durch Jahrtausende weit weniger ereignisreich geplant ist.



Uebrigens, was hier im Fernsehen staendig laeuft:
Israelische Soldatin verhoehnt palaestinensische Gefangene
http://www.focus.de/politik/ausland/nahost/israel-soldatin-posiert-mit-gefangenen-palaestinensern_aid_542118.html
Und weiters:
BP hat fuer die Freilassung der libanesischen Attentaeter durch das schottische Gericht interveniert. Wird mit den Bildern des triumphalen Empfangs in Lybien gezeigt.
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ein strom entspringt in eden, der den garten bewässertr, dort teilt er sich und wird zu vier hauptflüssen ... der vierte strom ist der euphrat

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