Mor Gabriel

Schon als sich das Christentum erstmals heftig stritt wegen der Zweinaturenlehre, im 5. Jahrhundert, war dieses Kloster - damals hiess es noch Simeonskloster - im Tur Abdin theologisch federfuehrend. Damals konnte man sich nicht zu den in Chalcedon vorgetragenen Formulierungen durchringen und wurde seither vom byzantinischen Patriarchen benachteiligt, vom Kaiser (bzw. seiner Mutter) jedoch bevorzugt. Theodosius etwa stiftete groessere Summen und Laendereien, und bis heute ist das Kloster wie die ganze jakobitische Christenheit in seiner Umgebung angefeindet, aber keineswegs arm. Die wenigen noch verbliebenen Christen, die im Land systematisch abgedraengt werden, leben von der Unterstuetzung der ausgewanderten Familienmitglieder.

Die Hauptkirche ist ein Querschiffbau, also aehnlich einer Moschee breiter als lang, und ohne eine bauliche Orientierung auf den Altar, der in einer mittigen Nische aufgestellt ist. Diese Absis ist mit einem kunstvollen Mosaik ausgelegt, das gerade renoviert wird - ansonsten ist der Raum, der noch zwei weitere Nischen an der Ostwand aufweist, ganz schmucklos. Die weiteren Gebaeude sind wie die Stadt verschachtelt: das Oktogon, die Grabnische, die Marienkirche, Kueche, Gemeinschafts- und Wohnraeume.
Wir treffen den Erzbischof zuerst in der Kirche, spaeter nochmals im Gemeinschaftsraum, wo wir zum Tee geladen sind. Ich war zu optimistisch, als ich die Zeichen der Messe im Sumelakloster sowie die angekuendigte in der armenischen Akdamar-Kirche (die inzwischen wegen einer Wahl in der Tuerkei abgesagt wurde) als Foerderung der Christen durch die Regierung interpretierte. Schon Van Beyburt, der armenische Vertreter im georgischen Parlament, hatte darin Meilensteile und Zeichen der Oeffnung sehen wollen. Der Bischof hingegen zaehlte die vielen Morde an Christen in den letzten Jahren auf, an Priestern, einfachen Christen, die in einem Amt vorstellig waren, und zuletzt an einem Bischof. Als Taeter wuerden jeweils Minderjaehrige genannt, die noch nicht strafbar seien. Die Regierung betreibe ein Doppelspiel, spektakulaere Gottesdienste auf der einen Seite, die fortgesetzte Verweigerung christlicher Rechte auf der anderen Seite, wie das auf die Wiedereroeffnung des Priesterseminars. In der Bevoelkerung nehme der Hass auf die Christen staendig zu. Bei der juengsten Messe waren 3000 Polizisten noetig, um Uebergriffe der Bevoelkerung zu verhindern. Der Diakon gab zu bedenken, dass die meisten Bewohner Trabzons von zwangsislamisierten Christen abstammten, und dass keineswegs alle Pontusgriechen vertrieben werden konnten. Im ganzen wuerde also gegenwaertig die Christenverfolgung in der Tuerkei stark zunehmen. Die europaeischen Regierungen wuerden aber ihre Wirtschaftsinteressen in dem aufstrebenden Land nicht gefaehrden wollen - es bahnt sich also eine Wiederholung der Christenverfolgungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts an - wenn auch auf einer anderen Ebene.
Wir sehen also eine Biopolitik des 21. Jahrhunderts, die auch die Stellung der europaeischen Kirchen in der Gesellschaft in neuem Licht erscheinen laesst. Womit beschaeftigen wir uns eigentlich?
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ein strom entspringt in eden, der den garten bewässertr, dort teilt er sich und wird zu vier hauptflüssen ... der vierte strom ist der euphrat

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