Nachrichten aus Mari

Ohne auf das Reich von Mari einzugehen, das im spaeten dritten Jahrtausend vor Christus am mittleren Euphrat eine Macht war, moechte ich dennoch auf die alte Geschichte Syriens und Palaestinas zurueckkommen, und zwar auf zwei Ueberlegungen von Niels Peter Lemche, einerseits zu seinem Paradigma Zentrum - Peripherie, das doch viel besser die Religionsgeschichte dieser Region beschreiben kann, und andererseits auf den Begriff der Habiru, der zwar voellig ueberzogen interpretiert worden ist, aber in einer realistischeren Auffassung viel fuer unsere eigene Theoriebildung hergeben kann.

Vorerst aber Bilder vom Palast von Mari sowie von dem Tempeln fuer Dagan und Schamasch:

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Diese Strasse folgt dem Euphrattal. Von Deir az Zor waren es 190 km mit einem Kleinbus, zurueck genausoviel, aber zunaecht bis Dura Europos, den Resten der roemischen Grenzfestung zu den Parthern per Lastwagen, den Rest mit einem klapprigen Chevrolet.

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Und schliesslich soll noch bewiesen werden, dass Deir az Zor tatsaechlich am Euphrat liegt.

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Die Geschichte des Alten Orient wurde oft nach dem europaeischen Muster primitive Gesellschaftsformen + Nomaden, und hochentwickelte Gesellschaft + Stadt beschrieben. Das ist ein evolutionistisches Modell, mit dem der westliche Imperialismus legitimiert wurde. Gerade ein Staat wie Mari laesst sich aber besser als Palaststaat kennzeichnen, in dem ein dynastisches Zentrum Macht gewinnt mit Hilfe einer Peripherie, welche sie anerkennt, weil sie wirtschaftliche oder Vorteile der Sicherheit sieht. Das liesse sich auch z.B. fuer Jerusalem in der biblischen Koenigszeit sagen, sowie fuer die anderen palaestinensischen Stadtstaaten. Es laesst sich aber auch das Gegenteil beobachten, naemlich dass die Peripherie dem Zentrum die Anerkennung wieder entzieht, wenn der Koenig Sicherheit und Wohlstand nicht garantieren kann. So ist das Hethiterreich an den rund um ihre Haupstadt lebenden Bergstaemmen zugrunde gegangen, nicht durch fremde Grossmaechte, das alte aegyptische Reich durch die Hurriter, die schon laengst eingewandeet waren, oder die kleinen palaestinensischen Stadtstaaten der Spaetbronzezeit durch die nomadischen Sutu oder Schasu. Dabei formierten sich lt. Lemche auch neue Staemme, die er als freie Zusammenschluesse von Familien oder Clans beschreibt. Peripherie und Zentrum sind also nicht ueber- sondern polar geordnet, einmal dominiert das Zentrum, ein anderes Mal die Peripherie. Sesshafte und nichtsesshafte Landbevoelkerung sowie Stadtbewohner sind keine festen Einheiten. Stadtbewohner betreiben haeufig Landwirtschaft, im Alten Orient oft zu 80 Prozent und mehr. Andererseits konnten Grundbesitzer in der Stadt leben, und beispielsweise Abraham und die meisten Erzvaeter werden mit Staedtischer Herkunft dargestellt: Harran, bzw.Ur in Chaldaea.
Das wirft ein neues Licht auf die modernen Megacitys, die vielfach ja von der Peripherie beherrscht werden. Aus anatolischen Bauern werden auch in Istanbul nur langsam Staedter, aus Waldviertlern in Wien oft auch nicht. Andererseits mengt sich das Zentrum in das Leben der Peripherie ein, indem Zweitwohnsitze und staedtischer Geschossbau im Umland ueberhandnehmen. Und beide Durchdringungen scheinen nun unter veraenderten Umstaenden, naemlich der veraenderten Zuordnung zum Zentrum oder zur Peripherie, neue Siedlungsformen und cdamit neue Lebensformen hervorzubringen. Oder, um Lemches Ansatz auch hier zu folgen: Die individualistisch veraenderte Lebensweise bringt neue Siedlungsformen mit sich, in der Kontakt und Zugehoerigkeit weiter abnehmen.

Und was die Habiru betrifft, so sei zunaechst nur folgendes gesagt:
In den Amarnabriefen beklagt sich der Koenig von Jerusalem beim Pharao, dass Menschen mit diesem Namen sein Land unsicher machen. Das wurde von der Forschung gern als Hinweis auf die Einwanderung der "Hebraeer" genommen, zumal sonst kaum ein ausserbiblischer Hinweis auf die Erzvaetererzaehlungen auszumachen ist. Nur kann die neuere Forschung diesem Namen kein Volk zuordnen, damit sind eher bestimmte Individuen gemeint, die den Staatsverband verlassen, weil sie verfolgt werden, oder weil sie keine Lebensgrundlage mehr haben. Diese Gruppe ist fuer das ganze zweite vorchristliche Jahrtausend bezeugt, aus heutiger Sicht koennen sie als Fluechtlinge oder Migranten bezeichnet werden. Diese Gruppe verunsichert die staatliche Ordnung, die darauf keine Antwort findet, und andererseits koennte sie mit der Volkswerdung neuer Staemme zu tun haben, schliesslich mit dem Volk Israel. Ob jetzt dieser letzte Schluss gerechtfertigt ist oder nicht, jedenfalls ist das ein Modell, dass jene Vorgaenge viel besser beschreibt, die man frueher als Voelkerwanderung bezeichnet hat, auch in Europa.
Nocheinmal: die Habiru sind "Freigesetzte", also Menschen ohne Arbeit, Zugehoerigkeit und Bindung. Spielball eben.
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ein strom entspringt in eden, der den garten bewässertr, dort teilt er sich und wird zu vier hauptflüssen ... der vierte strom ist der euphrat

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