In Amman

Eigentlich war mir die Stadt schnell sympathisch. Zwischen Huegeln sind wir eingezogen.
Obwohl ich mit dem bekannten Taxispiel hineinkam: Ankunft am Busbahnhof am Stadtrand, sofort von unaufhoerlich englischsprechendem Taxifahrer in Beschlag genommen und zu einem/dem besten/dem billigsten Hotel gebracht (bis dahin noch keine Landeswaehrung und auch keine Ahnung vom Wechselkurs), dafuer den zehnfachen Preis verrechnet und im Luxushotel in der Oberstadt abgeliefert, wo ich erst einen Bankomat suchen musste. Nun gut, im Luxus erholt man sich besser fuer die Wirklichkeit. Hinter der schwarzen Kunststofffolie scheint ohnehin dasselbe Sonnenlicht wie anderswo.
Zur Orientierung bin ich gleich einmal die Khalid Ibn al Walid runtergelaufen, eine Art kilometerlanger Kaerntnerstrasse mit Boutiquen und Handyshops. Als ich bei der Zitadelle entlang ging und dann auch das roemische Theater fand, hatte ich einen Eindruck von der Lage.
Am Rueckweg sah ich in der Daemmerung ein Hotel, dessen Veranda mich freundlich anlaechelte - ich erfragte den Preis. Von da an begann ich meinen Umzug zu erwaegen.

Die Drohung, der Zimmerpreis waere nur bei mehreren Naechten zu halten, erwies sich am naechsten Tag als unbegruendet, sie liessen mich ziehen. Ich schritt auf die Unterstadt zu mit meinem ganzen Gepaeck, diesmal die King Hussein-Street, und meine Schaetzung erwies sich als richtig, ich kam bis zum Theater. Aber ueber die abendliche Erscheinung des einladenden Hotels war ich mir etwas unklar. Ich durchstreifte das Gebiet nach dem Rastersystem und versuchte, mein Gedaechtnis zu ergruenden. Dazu soll man wissen, dass dieses Gelaende am Hang liegt und durch steile Stiegen verbunden wird - das Rastersystem war also dreidimensional. Als ich es schliesslich fand, hatte es jedes Geheimnis verloren, und der Vormittag ging in den Mittag ueber.

Immerhin hatte ich damit jetzt Position bezogen und Boden unter den Fuessen. Sogleich machte ich mich wieder auf den Weg und erstieg die Zitadelle, die auf einem der Stadthuegel lag und Zeugnisse der Vergangenheit bot. Da waren Tempel, Kirche und Moschee gleichermassen in Grundmauern und Truemmerr zerlegt. Dahinter jedoch war die in allen Richtungen gleiche Stadt aufgebaut, und es war unklar, ob als Zuschauer oder gleichgueltig abgewendet.

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Der Barbier hatte sich bereits grinsend umgewendet, als ich in seinem Ruecken am Wartestuhl Platz nahm, und seinen Kunden eilig fertig gekaemmt. Als ich dran war, war der Stuhl wie ein Thron. Eifrig nickend, fuehrte er dann nacheinander alle Istrumente vor, und sei es auch nur zu einem winzigen Zupfen oder Schnippseln. Von allen Seiten bearbeitete er meinen Bart wie ein Taenzer, immer wieder mit unverhohlener Freude in den Spiegel blickend. Am Ende, als ich mich zufrieden zeigte, rueckte er mit seinem Englischbuch hervor, das in der Schublade wartete, und fuehrte mir alle Lektionen vor. (Wenn ich doch nur halb soviel Arabisch koennte!)

Ich bin weit durch die Stadt geschweift auf der Suche nach einem Abendessen. Es gibt viele Imbissbuden, aber nur wernige Restaurants, und im Ramadan haben sie nur eine kurze Spanne geoeffnet. Schliesslich habe ich ganz nah beim Hotel ein schoenes Lokal gefunden, das mir ein Taxifahrer gezeigt hat, als ich davor stand: denn es war im ersten Stock. Eine lange englischsprachige Speisekarte mit lauter fremdklingenden Namen. Ich bekam etwas wie in Gemuesesuppe serviertes zartweiches Lamm mit einer Portion gewuerzten Reis, die allein eine ganze Familie satt gemacht haette. Ich war in einen Winkel platziert worden gegenueber dere Treppe, wo ich alle Ereignisse zwischen den Angestellten mitbekommen konnte. Der Ober sah wie Barak Obama aus, nur dass er etwas Fahriges hatte und watschelte. Er kommandierte einen Lehrling herum, der sich geschickter anzustellen schien als sein Meister. An jeder Speisenlieferung aus der Kueche schien er etwas herumzumaekeln. Als dann eine hoehergestellte Person an der Kassa Platz nahm, der waehrend eines Telefonats umstaendlich tuerkischer Kaffee serviert wurde, schien auch ohne Verstaendnis des auf Arabisch Gesprochenen ein Vorbehalt gegenueber dem Kellner greifbar zu sein wie eine Wand, an der jede Erklaerung, jeder gutgemeinte Versuch abprallt wie an einer Glasscheibe. Genauso, dachte ich, sind doch die Palaestinenser von den Englaendern vorgefuehrt worden, die doch redlich immer wieder neue Ansaetze gesucht haben, um deutlich zu machen, dass sie ihr Land selbst bestimmen und regieren wollen, und die Englaender haben es nickend zur Kenntnis genommen und weiterhin die Juden bevorzugt.
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